Allgäu-Orient-Rallye 2016

Autor: Julian (Seite 1 von 2)

Erste Autos

Hier eine erste Runde Bilder. Unser Team konzentriert sich im Moment auf den Fuhrpark, denn ohne Autos fährt es sich schlecht auf einer Rallye. Das heißt, täglich die einschlägigen Gebrauchtwagenbörsen durchforsten, die wenigen Treffer bewerten und hin und wieder durch die Lande zu fahren um sich ein Auto aus der Nähe anzugucken.

Wagen Nummer 1 haben wir mit frischer TÜV-Plakette gekauft. Wagen Nummer 2 leider ohne. Weshalb es nach der Überführung erst einmal zum Freundlichen auf die Hebebühne ging, wo fachgerecht an der Karosse rumgebraten wurde. Zwar nicht mit der Liebe mit der ein Oldtimer restauriert wird, dafür aber TÜV-gerecht. Und darauf kommt es an.

An der Stelle nochmal ein dickes Dankeschön an Felix Engelhardt, der uns seine Zeit, seine Werkstatt und sein Know-How zu Verfügung gestellt hat.

An_d_Tankstelle

Unser erster. Mit TÜV und passendem Nummernschild: Bonn-Allgäu-Orient | Startplatz 17 | Wagen 1

Vor_d_Wohnung

In der Reihenfolge an dieser Stelle: fehlender Wischwasserbehälter, Rost, Loch, Blech, TÜV

In der Reihenfolge an dieser Stelle: fehlender Wischwasserbehälter, Rost, Loch, Blech, TÜV

Merke: Ist das Diff feucht, ist noch Öl drinnen & das ist gut so

Merke: Ist das Diff feucht, ist noch Öl drinnen & das ist gut so

Unser zweiter W124 mit Stern & in Blau.

Unser zweiter W124 mit Stern & in Blau.

Motivation

„Es hemmt die Lebensfreude, schon ans Ankommen zu denken, während man noch läuft“

124 Tage. So lautet unser Countdown bis zum großen Start am 30. April 2016. Irgendwie noch so weit weg, aber eigentlich schon ganz nah. Und irgendwie so unwirklich, aber eigentlich total genial. Noch 124 Tage, dann treten wir sechs eine Fahrt an, bei deren Namen jeder erstmal stutzt: Die Allgäu-Orient-Rallye.
Vom Allgäu bis in den Iran. So lautet unsere grobe Route. Hinbringen werden uns, und das hoffentlich bis zum Schluss, drei alte Mercedes Benz. So weit, so gut. Total verrückt? Ja! Aber ist es denn so falsch verrückt zu sein? Die dringlichste Frage ist wohl das Warum. Was bringt sechs junge Menschen dazu, sich für drei Wochen auf so eine Fahrt einzulassen? Geschlafen wird in den Autos oder Zelten, gegessen wird draußen und mindestens acht Stunden Auto fahren täglich gibt es gratis dazu. Anders lassen sich die vor uns liegenden 7000 km nicht bewältigen. Ein Abenteuer, keine Frage. Aber eines das viel mehr zu bieten hat, als den berühmten „Kick“ für einen einzelnen Moment. Der etwas andere Urlaub. Auch so lässt sich unser Vorhaben beschreiben. Jedoch mit Betonung auf „etwas anders“. Aufgrund der durch die Rallye vorgegebenen Regeln und zu erfüllenden Aufgaben, warten nicht nur besondere Landschaften und interessante Städte auf uns, sondern viel mehr noch der direkte Kontakt zu den Menschen vor Ort und ihrer Kultur. Wir werden am Ende eines jeden Tages nicht in irgendeinem hergerichteten Hotel verschwinden, sondern das jeweilige Land so erleben wie es ist. Am Tag, am Abend und in der Nacht. Und auch dann, wenn uns der Sinn gerade mal nicht nach einer fremden, sondern, und sei es nur für einen kurzen Moment, nach der eigenen Kultur steht. Nach der Gewohnheit. Und genau dann wird es spannend. Für uns selbst und auch für unser Miteinander im Team.
So vielseitig sich die vor uns liegende Strecke präsentiert, so vielseitig sind auch die an uns gestellten Aufgaben. So fürchtet sich jetzt schon so manches Team-Mitglied vor dem Moment, wenn in einer unserer Zielorte ein Instrument gezückt und uns eine musikalische Einlage abverlangt wird. Andere sind bereits mit den Gedanken bei möglichen Geschenken an Schulkinder, denen wir bald prall gefüllte Rucksäcke überreichen wollen. Und wieder anderen huscht doch jedes Mal ein Grinsen über das Gesicht, beim Gedanken an den Preis für das Gewinnerteam: ein echtes Kamel! Das jedoch im Endeffekt den Iranern zu gute kommen wird.
Doch so verrückt die ein oder andere Aufgabe auch zunächst scheinen mag, eines wird uns immer wieder bewusst: Wir werden ganz nah dran sein. An den Menschen. An ihrem Leben und an ihrem Blick auf diese Welt. Und genau das wird auch unseren Blickwinkel verändern. Denn die von uns angesteuerten Länder gehören nicht gerade zu den klassischen Urlaubsregionen. Im Gegenteil, viele begegnen ihnen gerade wohl mit gemischten Gefühlen, einer Abwehrhaltung und Gefahren, die es zu meiden gilt. Und genau an diesem Punkt kommt wohl jeder von uns an seine ganz persönliche Reisemotivation. Nämlich diesen Teil der Erde mit eigenen Augen zu sehen, sich ein eigenes Bild machen. Und am Ende ganz bestimmt die Entdeckung, dass jene Länder so viel mehr zu bieten haben, als das was unsere manchmal doch zu voreilig getroffene Perspektive uns vorgaukelt. Somit dienen die vor uns liegenden 7000 km vor allem der eigenen Horizonterweiterung. Sie dienen nicht nur der Tour selber, sondern hoffentlich auch unserem Weg danach.
Und so wollen wir für drei Wochen nicht unsere Lebensfreude hemmen, nicht ans Ankommen denken oder an eine gute Platzierung, sondern das FAHREN genießen. Das „am Laufen sein“. Ob wir schon realisiert haben was wir bald erleben? Wer weiß. Aber dafür bleiben uns ja noch 124 Tage Zeit…

Anfahrt

Hallo zusammen, das hier ist wohl der erste Eintrag.

Hiermit heißen wir euch herzlich willkommen. Guckt euch um. Wir hoffen euch gefällts.

Vielleicht zuerst in paar Infos, worum es hier geht. Das ist der offizielle Blog des Rallyeteams Nord-Süd-Fahrt. Wir starten  im Mai 2016 auf dem Platz 17 der Allgäu-Orient-Rallye. Die Route führt uns von Oberstaufen bis in den Iran.

Die vielen Kilometer fahren wir mit drei gut eingefahrenen Mercedes Kombi aus den 90er Jahren. Für Kenner: W124er 250 TD

Bei der poor-man-Rallye handelt es sich primär nicht um ein Rennen auf Zeit. Vielmehr gilt es unterwegs Aufgaben zu erfüllen und die gebotenen Regeln einzuhalten. Wie z.B. das Fahrverbot auf Autobahnen und die Streckenfindung ohne Navi.
Trotzdem wird es ein Siegerteam geben, welches mit einem Kamel belohnt wird. Leider ist es fast unmöglich so ein Tier in die Heimat mitzunehmen und stolz in seinem Vorgarten grasen zu lassen, weshalb das Tier aus Tradition im Nahen Osten verbleibt und verschenkt wird. Das trifft auch auf die gebrauchten Fahrzeuge zu. Die alten Autos bleiben ebenfalls da und genießen ihre Reinkarnation. In diesem Fall werden sie wohl dem roten Halbmond zugutekommen, der das Geld bestimmt gut gebrauchen kann.
Das sollte fürs erste reichen. Bestimmt kommt bald mehr.
Das Team Nord-Süd-Fahrt

Ein Kaffee auf dem Seitenstreifen

Es war geplant um 10:00 Uhr abzufahren. Es ist dann aber eher 11:00 Uhr geworden. Also eigentlich, alles nach Plan.
Die Autos waren: 01 Daniel und Paul, 02 Felix und Felix und 03 Robertah und Julian.
Nach ausführlichen Verabschiedungen und ein paar videogefilmten Runden durch den Plittersdorfer Kreisel, ging es dann los.
Zumindest bis zum nächsten Rewe. Da haben wir noch ein paar Flaschen Wasser gekauft, getankt und den Reifendruck geprüft.
Der nächste Halt war für kurz nach Wiesbaden geplant. Dort konnten sich auf einem Rastplatz noch schnell Felix T. ortsansässige Eltern von uns und Ihm verabschieden.

Letzte Abschiedsgrüße auf der Raststätte

Letzte Abschiedsgrüße auf der Raststätte

Nach und nach kam dann auch das Rallyegefühl bei uns auf:
Die Autos kennen lernen, Konvoi fahren, über Funk reden, Musik hören, die Landschaft genießen.
Irgendwann kam dann der obligatorische Stau auf der A3. Da werden einem doch die Nachteile von alten Schaltgetrieben bewusst. Auch sah man, dass das Fahrzeug mit dem Rettungssanitäter als einziges eine Rettungsgasse gebildet hat.
Wir hatten gerade darüber diskutiert, ob wir einen Raststettenespresso kaufen, oder lieber selber Kaffee machen sollten,
da fragten Felix und Felix über Funk ganz beiläufig, was es denn hieße, wenn Batterie-, Licht-, Abs- und Scheibenwischerwarnleuchte an gingen.
Es war ja Stau also konnte man schnell anhalten und mal in den Motorraum schauen.
Nach Daniels Gesichtsausdruck zu Urteilen, sah es nicht gut aus.
Also erstmal auf den Seitenstreifen fahren.

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Da standen wir also, nur ein paar Stunden nach Abfahrt. Und wer war Schuld? Der Keilrippenriemen…Den zog Daniel dann nach einer Weile ziemlich zerfleddert aus der Motorhaube heraus. Oder zumindest das was davon übrig war.

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Aber wir wären ja keine echten Rallye Fahrer wenn wir nicht sofort wüssten was zu tun ist. Erstmal Kaffee kochen! Dabei stellten wir fest, dass zu allem Überfluss auch noch der von Julians Freundin liebevoll zusammengestellte Picknick Rucksack ausgelaufen war. Immerhin waren wir somit alle mit einer Aufgabe beschäftigt. Leider stellte sich nach einiger Zeit heraus, dass selbst unser Profi Mechatroniker Daniel an dieser Stelle überfordert war, was nicht zuletzt an einem fehlenden Inbusschlüssel lag. Und so kam es, dass wir tatsächlich ohne einen Tag unterwegs gewesen zu sein, die Abschleppstange heraus holten.

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Im Stau ging es schleichend, von LKWs umzingelt weiter, unser Konvoi löste sich auf. Doch irgendwas fehlte. Und als wir wenig später auf dem nächstgelegenen Parkplatz einer Mercedes-Benz Werkstatt standen, da wussten wir es: Niemand regte sich ernsthaft über die Lage auf. Daran meine Lieben, erkennt man den wahren Rallye Profi: cool bleiben!

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Darauf erstmal ein Stück Kuchen auf dem Werkstatt Parkplatz!

Erdnussbutter ohne Marmelade?!

Leoben (Österreich) – Ungarn – Timişoara (Rumänien) – 700 km

Aus den Autos und Zelt geklettert, auf dem Campingplatz geduscht, Zelt abgebaut, Kaffee vom Campingkocher. Der zweite Rallyetag kann starten. Halb sieben. Nach der Ankunft im Dunkeln am Vortag war der Plan, heute im Hellen anzukommen. Utopisch. Also Autos gepackt, rauf auf den Bock und ab durchs Burgenland, natürlich erst nach dem Frühstück. Durch Serpentinen, schmale Schluchten und die ersten stärkeren Regengüsse. Wenigstens war das Zelt am Morgen noch trocken geblieben. Die Autos haben die erste Bergprüfung gut überstanden. Mit der flacher werdenden Topographie rückte auch der Grenzübergang nach Ungarn immer näher. Obligatorisches Grenzschildfoto inklusive.

Selfie als Rallyeaufgabe am österreichisch-ungarischen Grenzübergang

Selfie als Rallyeaufgabe am österreichisch-ungarischen Grenzübergang

Und Ungarn selbst? Viel geradeaus, wenig Kurven, immerhin die Pfützen biblischen Ausmaßes brachten eine ganze Menge Fahrspaß. Die Diskussionen über Gott, die Welt und die merkwürdige quadratische Anordnung von Bäumen am Straßenrand im mittlerweile äußerst vertrauten Sound des CB-Gerätes taten ihr Übriges zur Unterhaltung aller Beteiligten. Am Balaton kamen wir dann komischerweise aber wieder im Trockenen an. Umso besser, denn die Pizza von der Kneipe am Straßenrand schmeckt frisch von der Motorhaube mit Blick auf den See doch am geilsten. Kaffeepause inklusive.

Mittagspause am Plattensee

Mittagspause am Plattensee

Um vier Uhr gings weiter gen Rumänien, wo wir – oh Wunder – dann doch wieder erst lange nach Sonnenuntergang am Grenzübergang ankamen. Wieder Grenzfoto. Ein fancy Gefühl, ein Land einfach mal so an einem halben Tag zu durchqueren. Der Grenzübertritt selbst hätte durch ein bisschen mehr Motivation der dort eingesetzten Beamten ein bisschen einfacher gestaltet werden können. Schengen adé. Julians erheiternde Ausführungen über die Notwendigkeit von Butter, Erdnussbutter und Marmelade (die Gott sei Dank noch eingepackt wurde, weil Erdnussbutter ohne Marmelade gehe halt eigentlich garnicht) erleichterten die Fahrt in immer dunklere Gefilde enorm. Unseren Rallyeaufgaben sind wir heute noch kaum nachgekommen, da sich die Gelegenheiten einfach nicht boten. Das Foto mit Rallyesponsor baumit haben wir aber im Kasten.

Foto mit Rallyesponsor baumit

Foto mit Rallyesponsor baumit

Dafür sind wir dann aber doch irgendwann nach fast 700 km in Timişoara angekommen. Schade nur, dass der örtliche Campingplatz so garnicht zu finden war. Drei Tankstellen mit desolater Ortskenntnis später erbarmte sich dann ein freundlicher rumänischer Zeitgenosse und lotste uns zum Ziel. Oh Wunder, der Campingplatz war gefüllt mit anderen Rallyeteams. Eigentlich wollte man ja schnell schlafen, weil wir mussten ja morgen früher los so von wegen mal im Hellen ankommen und so. Die Zeitverschiebung kam noch hinzu. Nur ist der Austausch mit den anderen Teams sehr spannend und wenn Paul dann plötzlich um halb eins zur Suppe ruft ist auch schnell vergessen, dass man ja eigentlich nichts mehr essen wollte.

Paul bei der Zubereitung des Abendessens

Paul bei der Zubereitung des Abendessens

Wenn der Tag dann im Charme der Sanitärräume eines ehemals postsozialistischen Campingplatzes endet und Ruhe ins Lager einkehrt weiß man dann aber, was man schon geschafft hat.

Julian und Robertah beim Gute-Nacht-Lied

Julian und Robertah beim Gute-Nacht-Lied

Kamelle im Waisenhaus

Timişoara (Rumänien) nach Ruse (Bulgarien) – 610 km

Der Wecker klingelt um 6.00 Uhr – heute besonders hart, weil wir mittlerweile eine Zeitzone weiter in Richtung Sonnenaufgang gefahren sind. Zum Frühstück gibt’s Müsli, Käse aus dem Allgäu und Pauls hervorragenden Espresso.

Auf dem Tagesprogramm steht die Strecke bis an die bulgarische Grenze in Ruse, wo es eine besonders schöne Überquerungsmöglichkeit über die Donau und einen Campingplatz für die kommende Nacht geben soll. Doch zuvor besuchen wir ein Kinderheim für behinderte Kinder in Lugoj (ca. 30 km von Timişoara entfernt). Hintergrund des Besuchs ist eine vom Team 111 (www.normal-ja.de) organisierte Spendenaktion zu der auch unsere Autos (wie die fünf weiterer Teams) im Vorfeld der Rallye beladen wurden.

Abfahrt zusammen mit Team 9 (aus Karlsruhe) um kurz nach 8 Uhr. Im Kinderheim angekommen werden wir von der Leitung mit Kaffee und Gebäck empfangen und über das Leben vor Ort informiert, bevor wir zusammen mit den anderen Teams unsere Packsesel entladen.

De Zoch kütt!

De Zoch kütt!

IMG_5585Anschließend geht es dann darum Strecke gen Bulgarien zu machen. Das machen wir im Konvoi mit den Karlsruher Kollegen zunächst auf frisch gebauter Landstraße entlang der westlichen Ausläufer der Karpaten, später auf kurvigen Straßen bis an ein sehr großes Gewässer mit sehr großen Schiffen. Beim nun folgenden Tankstopp wird dann auch den nicht-kartenlesenden Mitfahrern kundgetan: „Das ist die Donau.“ Jetzt ist es an der Zeit – und der Ort ist gut gewählt – die Tagesaufgabe zu lösen: einen Apfelbaum zu finden und diesen mit dem Team zusammen zu fotografieren sowie den Ort und Besitzer des Baumes zu nennen. Leider finden wir an dieser Stelle nur einen Bananenbaum – aber seht selbst:K800_IMG_5592

Im Laufe der Weiterfahrt fällt eines der Karlsruher Fahrzeuge durch lautes Klappern aus dem Motorraum unangenehm auf. Kurzerhand wird das Auto von der Hauptstraße geschleppt und nach der Diagnose durch den Teammechaniker stellt sich heraus, dass eine Weiterfahrt nicht mehr möglich ist, da ein Pleuellager aus dem Motorblock hervorlugt. Die im Dorf wohnende Bevölkerung fragt uns im schönsten Kölsch Platt, wat ess dann los… Heimatgefühle mitten in Rumänien! Der so Fragende wohnt in Bergheim. „Do fählt nur vum Balkon, die Aussicht op dä Dom!“ Für Rheinländer spaßig, unsere Freunde haben allerdings andere Sorgen, zumal die Werkstätten wegen der orthodoxen Osterfeierlichkeiten geschlossen sind.

Da wir in der Situation nicht weiterhelfen können (bis auf eine kleine Kaffee-Notversorgung durch Paul) fahren wir nun weiter in Richtung Donau, um noch vor der Nacht die Grenze nach Bulgarien zu passieren. In Ruse selber bzw. drum herum gibt es nach unserer Karte leider keinen Campingplatz und ein Hotel für ein paar verbliebene Nachtstunden wollen wir uns auch nicht mehr suchen. Also fahren wir kurz entschlossen weiter und suchen uns ein Nachtlager abseits der Landstraße: Über kleine Straßen geht es dorthin steil bergab, bis ein passendes Plätzchen mit Nachtigallen-Beschallung und fast ohne Hundegebell gefunden ist.IMG_5616

Stadtrandlichter

Ruse (Bulgarien) – Griechenland – Istanbul (Türkei) – 687 km

Es geht gegen vier Uhr Mittags los und unser Konvoi brettert über eine verlassene Landstraße in Bulgarien, auf dem Weg zur griechischen Grenze. Die Strecke ist gut zu fahren und landschaftlich sehr schön anzugucken. Das Tippen ist hingegen keine große Freude, denn es geht in viele Kurven. Bergab wird immer wieder Schlaglöchern ausgewichen und der Straßenbelag gibt den Rest dazu. Aber der Reihe nach: Nachdem wir gestern sehr spät über die Landesgrenze gerollt sind und der angekündigte Campingplatz nicht zu finden war, stellten wir unsere Camping Kombis (Das T im Modellnamen steht ja bekanntlich für Touristik) abseits der Landstraße ins Grüne. Heute Morgen weckten uns der Wecker und der Regen der aufs Schiebedach prasselte um sechs. Als Belohnung für das tapfere Durchhalten unserer Autos gab es für die W124 einen Schluck frisches Öl. Wir starteten nach einem fixen Mokka direkt durch.K1024_IMG_5625 Etwas später gab es dann ein kleines, schorig schäbiges Frühstück an ner Tanke und randvoll Diesel für die Benzer. An dieser Stelle vielen Dank an den Tagespaten Horst Pfundstein. Unsere Route führte uns durch weniger schöne Städte mit viel quadratischem Sowjetbeton. Aber auch durch einen Bergnebelwald und viel grüne Strecke. Der Vollständigkeit halber: Das Wetter war sonnig, bewölkt und leichter Regen wurde von einem Südwind herangetragen. All arround 18C°. Ein zweites kleines Frühstück und den ersten Fahrerwechsel gab es an einer kleinen Fischzucht, welche die Viecher auch direkt frittiert und verkauft. Gegen Mittag suchten wir uns einen ruhigen Platz abseits der sowieso leeren Straße im Grünen. Der kurze Weg dorthin führte über einen schlammigen Feldweg mit tiefen Spurrillen, was für spontane gute Laune sorgte. Die entlud sich sogleich darin unsere Biergarnitur zum ersten Mal aufzubauen. Wir kochten Nudeln, bastelten mit Tüddeldraht oder genossen die Sonne.K1024_IMG_5668 Nach dem Futter ging es weiter. Schon nach wenigen hundert Metern kletterten wir einen Hügel rauf und trafen auf eine sehr breite, lange Straße. Da quasi kein Verkehr fuhr, nutzten wir die Gelegenheit für sonnige Foto- und Videoaufnahmen wie wir mit unseren coolen Karren durch die Landschaft düsten. Natürlich inklusive Sonnenbrillen und Essensübergabe von Auto zu Auto.K1024_IMG_5681

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Drive by

Der nächste Stopp war vor der Griechischen Grenze. Dort fanden wir unsere Chance ein Foto von einem uniformierten Menschen, mit Hund und Allgäu-Orient-Plakat zu schießen. Somit erfüllten wir wieder eine der Rallye Aufgaben. Wir verstehen es als Auslegungssache, dass der Soldat mit seinem Hund ein Kriegerdenkmal der Sowjets darstellte und keine lebende Person war. Vor dem Grenzübertritt bunkerten wir noch günstigen Sprit bei einer versteckten Tanke. Nach dem obligatorischen Foto mit dem Griechischen Länderschild ging es nach kurzer Zeit direkt zur Türkischen Grenze weiter.

Bulgarisch-griechische Grenze

Bulgarisch-griechische Grenze

Nachdem wir die akkurate aber freundliche Grenzprozedur (ink. miauender Pfauen) überstanden hatten, richteten wir unsere Sterne Richtung Istanbul und ballerten mit dem Sonnenuntergang im Rückspiegel los. Bis hier hin war der Tag sehr schön und die Stimmung gut. Von den folgenden Stunden kann man das leider nicht mehr sagen. Ich fasse mich hier kurz: Es wurde dunkel, die Straßen schlechter, die Lichter weniger, der Verkehr anstrengender, die Fahrer müder, die Karten ungenau und Wagen 01 bekam zunehmend Probleme mit der Kupplung. In Istanbul angekommen wurde der Verkehr so richtig spaßig. Und das um ein Uhr morgens an einem Dienstag! Zu unserem Glück verfuhren wir uns nur sehr marginal und legten Kilometer um Kilometer in diesem Moloch von Stadt zurück. Als wir dann im richtigen Stadtteil ankamen ging es auf die zwei Uhr zu. Unser finales Ziel konnten wir nur finden, weil wir zwei Späher per Pedes aussandten. Der Platz auf dem schon viele Teams standen war eine weitläufige Fläche mit Betonplatten asphaltiert und mit Flutlicht ausgeleuchtet. Der Platz war abgesperrt, umzäunt und bewacht. Ein Polizeiauto raste mit lauter, pumpender Musik, Blaulicht und hochdrehendem Motor sportlich über den Platz. Anscheinend hatten sich die zwei Beamten von der Rallye Stimmung anstecken lassen. Überall bei den Autos bauten Menschen aus Planen und Pavillons Zeltburgen. Ähnlich wie bei einem Festival. Die Stimmung war gut, es lief Musik. Unsere Müdigkeit wich einer euphorischen Freude und wir machten es uns ebenfalls gemütlich. Paul raffte sich auf noch eine Suppe zu zaubern die wir gemeinsam aus dem Topf löffelten. Für allgemeine Erheiterung sorgte Julian, der eine Überdosis Koffein in verbalen und motorischen Tätigkeiten abbaute. Nach einem verdienten Bier legten wir uns alle um halb vier schlafen. Mit der Gewissheit, am nächsten Morgen von keinem Wecker geweckt zu werden.

Rallyefahrer werden Touris

Istanbul – Werkstatt und Sightseeing – 3 km (BN AO 1701)

Es ist der Morgen danach. Nach einem Abend, der die Nerven aller im Team strapaziert hat. Und dennoch sind wir gestern Abend schließlich mit einem Lachen in unsere Auto-Betten gestiegen!

Aber dass die Momente der Nervenstrapazierung und der Herausforderung immer wieder kommen werden, wird mir spätestens klar als ich mich gegen zehn Uhr morgens aus dem Auto schäle. Die anderen sind unruhig geworden, versuchen eine Plane über unsere Biergarnitur zu spannen. Der Grund für die Unruhe wird nur wenigen Sekunden später mehr als deutlich: ein Regenschauer bricht über das Fahrerlager der Allgäu-Orient-Rallye hinein, so stark als müsste der Bosporus wieder aufgefüllt werden. Wir versuchen verzweifelt die Plane trotz des Schauers zu befestigen, aber der türkische Wind ist einfach stärker als wir. Nur fünf Minuten vorher war ich noch im Schlaf versunken. Jetzt bin ich wach. Und was tut man anstatt sich über schlechtes Wetter zu ärgern? Unser lieber Julian macht es uns vor, zieht sich kurzerhand bis auf die Unterwäsche aus und springt fröhlich im Regen herum. Was soll uns da noch stoppen?

Improvisierter Wäscheständer

Improvisierter Wäscheständer

Nachdem die Plane dann doch befestigt und ein Frühstück, bestehend aus Müsli und vom Chefkoch Paul servierten Rührei eingenommen wurde, musste sich unser Team aufgrund der am Tag zuvor entstandenen Probleme bei Wagen 01 leider trennen. Felix und Daniel, das Team Lindlar, machten sich auf Richtung Werkstatt. Der Rest von uns verwandelte sich binnen kurzer Zeit vom furchtlosen Rallyefahrer zum Vollzeit Tourist. Mit Kamera und Sonnenbrille im Gepäck machten wir uns auf in die Metropole Istanbul. Da kam richtig Urlaubsgefühl auf! Unser gehäuft auftretendes Gähnen war dabei eindeutig der letzten Nächte zu zuschreiben, anstatt dieser faszinierenden Stadt. Paul, der hier bisher für seine Kochkünste bekannt war, wurde kurzerhand zum Fremdenführer ernannt, da er sich nicht zum ersten Mal in die Stadt am Bosporus wagte. Er führte uns zunächst zur Hagia Sophia, eine zum Museum umgebaute Moschee, die jedoch über die Jahrhunderte hinweg verschiedenen Religionen als Gebetsstätte diente. Die aufwändige Gestaltung dieses Gebäudes brachte selbst Paul, der diese bereits zum dritten Mal besuchte, wieder zum Staunen.K1024_IMG_5750 Dann ging es vorbei an der Blauen Moschee, quer durch die Stadt, bis auf die Bosporus-Brücke. Möwen, Angler, Quallen im Wasser…wir aßen Maronen und waren zufrieden. Anschließend trauten wir uns in die Schluchten des türkischen Bazars, in welchem man nicht weiß ob die Fülle an Angeboten einen erschlägt oder in einen nicht mehr enden wollenden Kaufrausch versetzt. Orientalische Stimmung war vorprogrammiert! Auf dem Rückweg erwarben wir einige köstliche Kleinigkeiten und kehrten dann mit schmerzenden Füßen, aber gut gelaunt ins Fahrerlager zurück.K1024_IMG_5792 K1024_IMG_5783

Dort wartete schon das Team Lindlar auf uns, die einen nicht weniger spannenden Tag hinter sich hatten: Auto reparieren mit Händen und Füßen, entlüften der Kupplungshydraulik und leider sollte es nicht der letzte Reparaturversuch werden.

Unser Dank gilt heute besonders dem Team aus Schwaben, das uns sowohl autotechnisch als auch trinktechnisch mehr als gut versorgte…

Gleich steigt der von unseren Baumeistern Felix T. und Julian professionell angefertigte Flugdrache zum ersten Mal „über die Wolken“. Guten Flug!K1024_IMG_5824

Konvoi aus Istanbul

Istanbul (europäischer Teil) – Sancaktepe (Asien) – 41 km

Der Tag startet wie so oft bei dieser Rallye. Sehr langsam. Zähneputzen, Haare waschen unter der Campingdusche, Klamotten vom Zaun abhängen, Camp abbauen. Der Start verschob sich auch nur von 9:00 auf 11:00 Uhr. Dafür ging es dann aber mit groß angekündigter, wenn auch kaum merkbarer Polizeieskorte im Rahmen eines „portablen Staus“ (Danke Felix L. für dieses Zitat) durch Istanbul gen Asien. Und das war so: Fast alle Rallyeteams stehen auf dem ultra gemütlichen Betonplatz am Bosporus. Irgendwann geht’s los. Auto an Auto an Motorrad machen sich alle auf in den Kampf auf Istanbuls Asphaltpisten. Darf man hier jetzt eigentlich überholen, warum sind wir hier trotz Verbot abgebogen und sollen wir das mit dem schnellen und erzwungenen Spurwechsel jetzt auch machen?

K1024_IMG_5940Fragen, die sich im deutschen Straßenverkehr kaum stellen, im türkischen Millionenstadtverkehr aber zum Standardrepartoire gehören sollten. Daran hatten die einen mehr („Ich finds geil!“ Felix T.), die anderen weniger Spaß („Hölle für Autofahrer“ Robertah). Zuerst ging es an den Platz vor der blauen Moschee inklusive Ansprache durch den türkischen Europaminister. Dieser wiederum legte im Vorfeld zusammen mit unserer Robertah unter großem multimedialen Interesse vor allem an der Frau an seiner Seite den Grundstein für den hiesigen Rosengarten.

Plötzlich berühmt

Plötzlich berühmt

Im Anschluss ging es im Autokorso weiter durch Istanbul. Also mit vielen Stopps um den Laden zusammenzuhalten und das Verkehrschaos endgültig komplettierend ab auf die Bosporusbrücke, ausnahmsweise mit allen über die Autobahn. Ob das zuvor angekündigte Luftbild tatsächlich entstand entzieht sich bisher leider unserer Kenntnis. Die Bilder vom Dach unserer Autos waren allerdings schon beeindruckend genug.K1024_IMG_5960DCIM100GOPRO

Jenseits des Bosporus wurden wir von der türkischen MP in den Allgäu-Orient-Park gelotst, der dort in den vergangenen Jahren mit den jeweiligen Teams angelegt wurde. Das erste Mal seit Oberstaufen mussten wir uns mittags außerdem nicht selbst verpflegen sondern konnten dank der Gemeinde Sancaktepe schön mittaggegessen und wurden von der lokalen Bevölkerung begrüßt.K1024_IMG_5970 Den Nachmittag verbrachten wir recht ruhig, die einen schliefen in der Sonne oder im Auto, manche hielten andere Teams auf der Suche nach Ladegeräten davon ab. Der von Julian und Felix T. am Vorabend fertiggestellte Hightech-Drache konnte die an ihn gestellten Erwartungen trotz abgefahrenen Designs im direkten Vergleich leider nicht erfüllen.K1024_IMG_5981 Das Backup genauso wenig. Kaum geknickt gings dann noch gut gelaunt zu den von Paul kredenzten Spaghetti und dann ausnahmsweise mal einigermaßen früh ins Bett. Achteinhalb Stunden zeigte der Wecker. Sehr geil das. Gute Nacht.

Strecke machen, Strecke machen, Strecke machen!

 Dogubayazit-(Erzurum)-Erzinkan, 484 km

Aufstehen bei einem sehr angenehmen Klima: Nicht zu kalt, aber auch nicht so warm, dass man in seinem Schlafsack eingeht. Nachdem wir am vorherigen Tag einen türkischen Acker durchpflügt hatten, mussten wir alle Reifen abmontieren und den letzten Schlamm entfernen. 200-300 Gramm getrockneter Schlamm pro Vorderrad sorgt dann doch für eine gewisse Unwucht.

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Radwechsel vor dem Frühstück

Während die einen also damit beschäftigt waren alle Reifen zu säubern und Robertah in die hohe Kunst des Radwechsels einzuführen, bauten die anderen das Lager ab und kümmerten sich ums Frühstück.

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Nachdem all das erledigt war, ging es weiter den Berg hinauf zu einem alten Pascha-Palast. Neben ein bisschen Sightseeing erfüllten wir hier wieder eine der Rallye-Aufgaben und fotografierten uns in einem Schwimmbecken im Harem (Teil des Palastes, nicht das, was Ihr jetzt wieder denkt 😉 )

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Danach ging es wieder on the road. Heute waren ein ganz paar Kilometer zurückzulegen, die erste von zwei echt langen Etappen. Die einzige echte Pause legten wir an einer Go-Tankstelle ein, um a) zu tanken und b) mal über deren WLAN wieder ein paar Blogeinträge ins worldwideweb zu schicken. Das gestaltet sich bei der geringen Dichte an funktionierenden Netzwerken in der Türkei leider nicht so leicht. Jedenfalls saßen wir dann irgendwann alle beim Chef im Büro um unseren Computer, es gab wie so oft Tee und Unterhaltungen via Google Translation. Nachdem jeder von uns ein Tankstellen-Handtuch bekommen hatte und das gemeinsame Foto im Kasten war, ging es weiter. Wieder durch wunderschöne Landschaften mit erstaunlich hoher Militärpräsenz.

Tankstellen-Homies

Tankstellen-Homies

Ziel war dann ein türkisches Naherholungsgebiet mit See, GoKart-Bahn und vielen, vielen Grillplätzen, von denen einer sogleich okkupiert wurde. Das Wasser im Thermalbecken war leider viel zu dreckig, um unserer verwöhnten Haut zu genügen, weshalb wir dieses Angebot nicht wahrnahmen. Also lieber ab an den Grill und rätseln, ob diese ungewöhnlich großen Knochen tatsächlich vom gemeinen Huhn stammen. Egal. Ab ins Autobett.

 

 

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